Es gibt viele Themen die mich gerade intensiv beschäftigen, aber keines nimmt aktuell so viel Zeit in Anspruch wie diese fünf Buchstaben. DSGVO. Datenschutz Grundverordnung. Am 25. Mai tritt dieses europäische Gesetzt verbindlich in Kraft. Wer wie ich als Nicht-Jurist versucht sich mit dem Gesetz auseinanderzusetzen, kommt irgendwann an seine Grenzen. Ihr wollt eine kleine Kostprobe? Bitte:
Personenbezogene Daten müssen in einer Form gespeichert werden, die die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist; personenbezogene Daten dürfen länger gespeichert werden, soweit die personenbezogenen Daten vorbehaltlich der Durchführung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen, die von dieser Verordnung zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person gefordert werden, ausschließlich für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke oder für wissenschaftliche und historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1 verarbeitet werden („Speicherbegrenzung“)
Gibt man „Datenschutz Grundverordnung“ bei Google ein, wird man von einer Vielzahl von Werbe-Links erschlagen. Überall werden Seminare, Vorträge und Schulungen angeboten, oftmals für unverschämte Summen. Auch externe „Datenschutzbeauftragte“ kann man einkaufen. Die tun anscheinend jedoch nur wenig und bekommen dafür monatlich viel Geld. Und nun stehe ich da vor diesem Berg, will (und werde) natürlich alles gesetzeskonform umsetzen, frage mich jedoch erneut was für einen Irrsinn ich da ausgesetzt werde. Wer uns kennt und zB seit Jahren bei uns Kunde ist der weiß, dass wir Daten unserer Kunden noch nie missbraucht haben. Wir handeln damit nicht. Wir geben sie nicht an Dritte weiter. Wir verschicken auch keine nervige Werbung per Mail, Kunden erhalten noch nicht mal Geburtstagskarten oder eine E-Mail mit dem Hinweis „Hallo, Sie waren schon lange nicht mehr bei uns…“ Ich mag solche Werbeaktionen selber nicht und deswegen machen wir das auch nicht.
Klar nervt mich die Flut an Werbung die ich tagtäglich über alle möglichen Kanäle erhalte. Allein schon deswegen finde ich solch ein Datenschutz-Gesetz längst überfällig und bin dem Gesetz an sich auch positiv aufgeschlossen. Jedoch – weil so viele Konzerne (angefangen bei Google und Facebook) seit vielen Jahren unsere Daten missbrauchen, muss sich jetzt auch der Friseur mit tausenden neuen Vorschriften auseinandersetzen? Ein auf das Thema spezialisierter Jurist sagte mir in diese Woche, dass zB Zettel mit der Farbrezeptur einer Kundin während der Farbbehandlung nicht mehr frei zugänglich im Salon rumliegen dürfen. Diese Zettel müssen in dieser Zeit in einer abgeschlossenen Schublade aufbewahrt werden und über diese Schublade muss dann ein Schlüsselprotokoll geführt werden auf dem ersichtlich ist wer wann die Schublade auf- und zugeschlossen hat.
Noch Fragen? Glaubt wirklich jemand, dass sich Politiker im europäischen Parlament bei diesem Gesetz Gedanken gemacht haben wie lange ein Bedienungszettel in einem Friseursalon an der Rezeption liegen darf? Natürlich nicht! Denen ging es darum, dass viele Firmen und Konzerne viel zu lax mit persönlichen, sensiblen Daten umgegangen sind und mit diesen Daten gehandelt & sehr viel Geld verdient haben. Denen ging es darum dass Persönlichkeitsrechte wieder mehr geschützt werden und wir nicht zu kommerziellen Zwecken total durchsichtig werden. Das man versucht dies alles endlich zu unterbinden und zu erschweren, findet meine volle Unterstützung! Aber musste es wieder gleich ein bürokratisches Monster werden?
Als Friseurunternehmer der sein Unternehmen seriös und professionell führen möchte, muss man sich 2018 mit einem riesigen bürokratischen Berg an Vorschriften der Berufsgenossenschaft im Bereich Gesundheitswesen herumschlagen. Es wird von uns verlangt alle neuen steuerlichen Vorschriften (zB. zwecks Kassennachschau) einzuhalten. Wir dürfen uns mit neuen Ausbildungsrahmenplänen beschäftigen und müssen unsere Mitarbeiter auch auf außergewöhnliche Situationen (zB „Brand im Salon“) vorbereiten, schulen und all dies natürlich immer schriftlich bestätigen lassen. Das alles kostet viel Zeit und es entstehen dadurch natürlich auch nicht unerhebliche Kosten. Da wir jedoch nicht mit Daten handeln, können wir nur Einnahmen durch zahlende Kunden generieren. Und sind unsere Kunden bereit mehr Geld pro Friseurbesuch auszugeben weil ich zB meine Software im Salon aufgrund der vielen neuen Richtlinien erneuert habe? Natürlich nicht! Unsere Kunden sind max. nur dann bereit ein wenig mehr zu zahlen, wenn Service & Dienstleistungen immer noch besser werden. Oh, dies muss also auch beachtet und geschult werden! Ich frage mich nur…. wann soll ich das auch noch tun, wenn man mir gleichzeitig das Gefühl vermittelt mit einem Bein im Gefängnis zu stehen wenn ich ab dem 25. Mai nicht unsere Farbrezepturen in eine protokollierte abgeschlossene Schublade legen lasse?
Ich werde wirklich bald verrückt! Wo ist eigentlich die Real-Politik wenn man sie braucht? In meiner Wahrnehmung kümmern sich Politiker zur Zeit entweder um die Flüchtlingsthematik, um die Automobilindustrie, um christliche Kreuze in Behörden, um Großkonzerne oder um „den kleinen Mann“. Aber wie wäre es wenn man sich mal um uns kümmert? Um diejenigen, die täglich aufstehen und sich diesem Wahnsinn stellen? Für die eine „40 Stunde Woche“ fast schon wie Urlaub klingt? Die versuchen ihr Privat- und Berufsleben zu allen Seiten immer fair, wertschätzend und ehrlich zu bestreiten? Wer setzt sich politisch mal für genau diese Menschen ein? Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass diese von mir beschriebene, arbeitende Menge an Menschen die absolute Mehrheit der Bevölkerung darstellt! Wieso bekomme ich ständig das Gefühl der Dumme zu sein, weil ich zB an sonnigen Tagen nicht an der Alster sitze sondern mich im Büro mit europäischem Datenschutzgesetzen herumschlage?
Und wieso weiß ich jetzt schon, dass mich spätestens am 26. Mai jemand im Salon belehren wird, weil wir uns nach dem DSGVO nicht 100% korrekt verhalten? Und dann wird genau diese Person erwarten, dass ich mich auch noch freundlich lächelnd für diesen Hinweis bedanke. Also manchmal könnte ich…. Ihr wisst schon!
Mit herzlichen Grüßen, Lars Nicolaisen