Am vergangenen Freitag war es mal wieder soweit. Eine riesige Demo direkt vor unserer Salontür am Jungfernstieg, ausgerichtet von „Fridays for Future“ und „Verdi“. So langsam bin ich an einem Punkt angelangt, an dem sich meine Meinung zu diesen Großkundgebungen verändert. Im Kern unterstütze ich die Anliegen von „Fridays for Future“ und auch von der „Letzten Generation“. Es ist beschämend und beängstigend zu beobachten, wie sich die Politik viel zu langsam und oftmals viel zu bürokratisch dem so unglaublich wichtigen Thema „Klimawandel“ zuwendet. Na klar gibt es mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine und den daraus resultierenden Problemen genügend Themen die politisch ebenfalls bestmöglich begleitet und schnellstmöglich entschieden werden müssen. Alles nicht leicht. Stimmt. Doch wenn man den weltweit tausenden Umwelt-Expertinnen und Experten glauben schenkt, dann bleibt der Menschheit nicht mehr lange um das Ruder noch einmal umzureißen. Ich glaube das. Das man nun gerade als junger Mensch hier langsam verzweifelt und verrückt wird, kann ich komplett nachvollziehen. Dennoch schwindet so langsam meine moralische Unterstützung für diese Bewegung. Zumindest in der Form wie sie aktuell betrieben wird.
Nun, wer mich persönlich kennt wird wissen, dass ich alles andere als „egoistisch“ durch die Welt gehe. Ich wähle nicht die Partei die mir die günstigsten Steuerversprechungen macht, ich denke nicht dass ich der Mittelpunkt der Welt bin und lebe privat und beruflich sehr partnerschaftlich und bevorzuge das Prinzip „geben und nehmen“. Nur gemeinsam bekommen wir etwas bewegt – und dafür muss jede einzelne Person auch Kompromisse eingehen und eigene Wünsche auch mal hintenanstellen. Das ist mein Grundverständnis. Doch wenn man gefühlt nur noch den Kopf hinhalten muss, dann schlägt die eigene Stimmung und das Verständnis langsam um. Warum schreibe ich das? Die Zeiten für selbstständige Unternehmer:innen sind alles andere als leicht. Gerade mein Handwerk trifft es aktuell hart und wir sind konfrontiert mit einer hohen Anzahl von Pleiten, Schließungen und Insolvenzen. Es kann alle treffen, vom kleinen „1-Mann-Unternehmen“ bis zu den größten Adressen unserer Branche. So musste letzte Woche einer der größten Namen unserer Branche aus Berlin, Insolvenz für einen großen Teil seines Unternehmens verkünden. Auch wenn es niemand mehr lesen mag, aber von Corona über Mindestlohn bis hin zur Inflation sind wir alle stark gefordert das jeweilige Unternehmen durch sehr unruhiges und schwer befahrbares Wasser zu steuern, ohne zu kentern. Jede Welle kann das Schiff zum kippen bringen. Und da bin ich nun bei den Demonstrationen angelangt.
Seit Jahren wird für besseren Klimaschutz protestiert. Immer in der City. Immer an Wochentagen und zu Uhrzeiten, an denen man die größtmögliche Aufmerksamkeit erzielt. Klar, verstehe ich total. Eine Demonstration am Montagmittag in den Harburger Bergen würde natürlich nur stark begrenzte Wirkung zeigen. Freitag Mittag am Jungfernstieg ist da natürlich dramatisch mehr Aufmerksamkeit zu generieren. Ich als Mieter eines sehr exklusiven, teuren Standorts in der Hamburger Innenstadt bin mir diesem Risiko bewusst. Es kann und wird immer mal zu Störungen kommen. Das kann ich komplett akzeptieren. Aber das geht jetzt schon über einen solch langen Zeitraum immer und immer wieder am gleichem Ort, beeinträchtigt unsere Mitarbeiter und Gäste wirklich massiv und hat somit natürlich auch spürbare Auswirkungen auf den Umsatz, da zahlreiche unserer Gäste an solchen Tagen nicht in die Innenstadt möchten und ihre Termine absagen.
Noch einmal: Als Mieter in einer so exponierten Lage bin ich mir dessen bewusst. Und das wofür dort demonstriert wird, unterschreibe ich inhaltlich zu 100% und finde die Intension der Veranstalter und die Energie der Teilnehmer:innen super. Wirklich viele Jahre habe ich dies alles akzeptiert und unterstützt… aber wir sind kein Großkonzern. Wir sind keine globale Franchise-Kette. Die können eventuell verminderte Tageseinnahmen am Standort XY mit Einnahmen aus anderen Standorten oder dem Onlinehandel kompensieren. Wir können das nicht. Wir sind ein kleines Hamburger-Handwerks-Familienunternehmen und sind auf unsere Tageseinnahmen angewiesen. So langsam spüre ich, dass mein Verständnis schwindet. Auch empfinde ich die Demonstrationen in der aktuellen Situationen nicht mehr wirklich zielführend. Die Gesellschaft hat sich daran gewöhnt. Die Medien haben sich daran gewöhnt. Demonstrationen und Großkundgebungen für den Klimawandel sind mittlerweile oftmals nur noch Randnotizen in der Berichterstattung. Sollte dies das Ziel? Kann ich mir nicht vorstellen. Es benötigt neue Wege um in den gesellschaftlichen und politischen Dialog zu kommen.
Wie der aussehen kann, kann ich an dieser Stelle auch nicht benennen. Es ist sicherlich äußerst schwer Aufmerksamkeit zu generieren, dabei die Gesellschaft nicht zu verärgern und gleichzeitig die Politik anzutreiben noch mehr zu tun und besser zu werden. Doch einfach immer so weiter zu machen kann auch nicht die Lösung sein. Dabei läuft man Gefahr Menschen wie mich zu verlieren, die seit Jahren unter den Demonstrationen „leiden“, tatsächliche Einschränkungen und Umsatzrückgänge verkraften müssen, darüber nie meckern, alles akzeptieren und sogar aktiv mit Spenden unterstützen. Aber irgendwann schwindet meine positive Sichtweise. Noch ist es nicht so weit. Ich denke jedoch es ist jetzt an der Zeit, meine diesbezüglichen Gedanken und Empfindungen einmal öffentlich zu äußern – in der Hoffnung bei den Initiatoren solcher Großveranstaltungen Gehör zu finden, so dass auch unsere Sorgen und Bedenken zur Kenntnis genommen werden können. Eventuell ist dies ja eine Chance um sich neue Wege zu überlegen und die gemeinsamen Ziele auch gemeinsam zu erreichen. Nicht gegen- sondern miteinander.
Herzlich, Lars Nicolaisen