Wir haben geredet

Am 17. April schrieb ich hier in meinem Blog einen offenen Brief an den Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks (ZDFH). Hier nachzulesen. Ich begann den Brief mit den Worten „Ich glaube wir müssen reden“.

Diesen Dienstag (18. Juni 2019) war es soweit und wir haben geredet. Ich bin nach Köln gefahren und wir haben uns in der Zentrale des Büros vom ZDFH getroffen. Dabei hat mich mein Freund und absoluter Branchenkenner Herbert Kötter (4.v.l.) begleitet. Am Gespräch für den ZDFH nahmen Präsident Esser (3.v.l.) und Geschäftsführer Müller (1.v.l.) teil.

Das Gespräch dauerte ein wenig mehr als drei Stunden. Es war emotional und kurzweilig. Vertrauensvoll und professionell. Es war geprägt von „klarer Kante und klaren Worten“ auf beiden Seiten – und schaffte es dennoch, dass es allzeit wertschätzend, fair und freundlich geführt wurde.

Ich hatte mich auf das Treffen gefreut, doch hatte ich vorab ein ganz merkwürdiges Gefühl. Eigentlich gehe ich in jedes Meeting und in jedes berufliche Gespräch immer mit einer klar definierten Zielvorgabe. Ich weiß immer was ich ansprechen möchte und habe auch eine Wunschvorstellung von dem was die Person oder Personen sagen und tun müssten, um meine Maximalerwartung zu 100% Erfolg zu erfüllen. Mir hilft diese Technik, da ich bei evtl. aufkommenden Smalltalk nie den roten Faden verliere, und zum anderen am Ende jedes Termins sofort einschätzen kann ob das Treffen erfolgreich verlaufen war – oder nicht.

Ich kenne es gar nicht mehr, einen beruflichen Termin anders vorzubereiten und wahrzunehmen. Das zählt für Mitarbeitergespräche genau so wie für Kundenreklamationen. Für Vorstandssitzungen der Intercoiffure genau so wie beim Interview meiner Gäste für meinen neuen Podcast NUNMALDEUTLICH. Doch bei diesem Treffen war es anders. Völlig anders. Ich hatte kein Ziel und keine Erwartung. Noch am Abend zuvor im Bett fragte ich mich ob dies ein Fehler sei und ob ich nicht doch noch Ziele und Erwartungen formulieren sollte. Ich entschied mich ganz bewusst dagegen. Ich wollte so offen wie möglich ins Gespräch gehen. Keine Erwartung. Kein Ziel. Es gab für alle Seiten ja eigentlich eh nur ein Ziel: Zu reden und die jeweils andere Seite besser zu verstehen. Und ich denke, das ist uns zu einem großen Teil auch gelungen.

Herbert Kötter und ich bekamen ausreichend Zeit und Gelegenheit, Fragen zu stellen und unseren Eindruck mitzuteilen, welchen wir aktuell von unseren politischen Branchenvertretern haben. Offen und geradeaus. Und diese Möglichkeit nutzten wir.

Auf der anderen Seite gewährte man uns auch einen Einblick in die Verbandsarbeit. Es wurde aufgezeigt welche Kräfte an Innungen und Verbänden zerren, welchen gesetzlichen Notwendigkeiten man ausgesetzt ist und welcher finanzielle und gestalterische Spielraum eigentlich realistisch zur Verfügung steht. Ebenso erhielten Herbert und ich Einblick in die aktuelle Zukunftsplanung des ZDFH.

Alle Ausführungen klangen nur äußerst selten wie eine Rechtfertigung alla „Wir würden ja gern aber dürfen nicht.“ Nein, sehr viele Erklärungen waren frei von Rechtfertigungen oder Entschuldigungen, sondern es wurde einmal offen die „Ist-Situation“ dargestellt. Und ich kann jetzt noch besser verstehen, dass der ZDFH um seine Aufgaben und seine unterschiedlichen Verantwortlichkeiten nicht zu beneiden ist. Seien wir doch mal ehrlich: Die Gesellschaft ist schnell im (ver-)urteilen von Dingen. Doch kennt man alle Hintergründe und Strukturen, und müsste man dann selbst eine Entscheidung treffen, dann weiß ich nicht ob man immer die Lösung wählen würde, die einem beim lesen einer Überschrift oder bei einer Diskussion an der Hotelbar einfällt. Die Welt ist kompliziert – und die Friseurwelt ist es auch.

Ja, Präsident Esser und Herr Müller haben es geschafft, dass ich mehr Verständnis für die komplexe Verbandsarbeit entwickeln konnte. Ich habe jetzt ein deutlich klareres Bild von all dem Druck und den Herausforderungen bekommen, der auf dem ZDFH und auf den Kreishandwerkerschaften, Landesinnungsverbänden & Co liegen. Wie ich es bereits am 17. April schrieb, habe ich ganz viel Respekt und Anerkennung für die vielen Kolleginnen und Kollegen, die sich ehrenamtlich in Innungen. Prüfungsausschüssen und politischen Debatten engagieren. Ihnen allen gilt mein uneingeschränkter Respekt.

Doch dies alles darf nicht unseren Blick auf die aktuelle Branchensituation vernebeln. Egal was gemacht wurde und wie gut es gemeint war… Es muss besser werden! Viel besser!

Wir haben keine Zeit mehr uns gegenseitig in Vorwürfen und Rechtfertigungen zu verzetteln. Damit meine ich nicht nur unsere politischen Vertreter, sondern auch die zahlreichen Facebook-Gruppen und sonstige Gruppierungen, die in der Vergangenheit mit einer Mischung aus Frust & Freude auf den ZDFH verbal einprügelten. Ich denke es war zwar richtig und wichtig mit aller Deutlichkeit aufzuzeigen wo überall die Probleme liegen, aber jetzt benötigen wir zielorientierte Antworten auf die viele Herausforderungen, die uns alle in dieser Branche belasten. Es muss jetzt auch Schluss sein auf deutsche und europäische Bürokratie zu verweisen. Nicht wenige von uns haben Existenzängste. Jetzt. Heute. Wir benötigen daher kraftvolle, mutige Personen, die glaubhaft, standhaft und vor allem vereinnahmend sich auf den Weg machen diesen wundervollen Beruf wieder zum strahlen zu bringen. In allen Bereichen und Funktionen. Auch in Berlin und auch in Brüssel.

Wie könnte so etwas gelingen? Ich habe mir zur Beantwortung dieser Frage nach meinem Besuch in Köln ein paar Tage Zeit gelassen. Wohlwissend, dass meine Antwort nur subjektiv ausfallen kann und ich sehr realistisch einschätze, dass das was jetzt kommt nicht jedem gefallen wird, möchte ich im zweiten Teil dieses XXL Beitrages einen Lösungsvorschlag nennen.

Ich glaube der ZDFH benötigt dringend ein neues, modernes, auf die Zukunft ausgerichtetes Leitbild. Sollte es bereits eines geben, muss dies hell und klar in die Branche strahlen. Sollte es keines geben, sollte dies schnellstmöglich mit professioneller Unterstützung erstellt werden.

Ein Leitbild ist eine schriftliche Erklärung einer Organisation über ihr Selbstverständnis und ihre Grundprinzipien, also eine Selbstbeschreibung. Es formuliert einen Zielzustand (realistisches Idealbild). Nach innen soll ein Leitbild Orientierung geben und somit handlungsleitend und motivierend für die Organisation als Ganzes sowie auf die einzelnen Mitglieder wirken. Nach außen (Öffentlichkeit, Kunden) soll es deutlich machen, wofür eine Organisation steht. Es ist eine Basis für die Corporate Identity einer Organisation. Ein Leitbild beschreibt die Mission und Vision einer Organisation sowie die angestrebte Organisationskultur.

Quelle: Wikipedia

Na klar benötigen wir eigentlich JETZT Antworten auf die brennenden Fragen bezüglich, Ausbildung, Nachwuchs und Schwarzarbeit. Aber egal was der ZDFH diesbezüglich in der nächster Zeit machen und entscheiden wird, es wird immer den Eindruck eines Flickenteppichs haben. Man versucht es allen irgendwie recht zu machen – und ist somit selbst niemals klar erkennbar und hat kein eigenes Profil.

Damit diese Branche eine nicht mehr gekannte Solidarisierung erfährt, benötigt es ein Leitbild. Wenn jetzt bereits engagierte Innungsmitglieder in selbiger bleiben sollen, benötigt es ein Leitbild. Wenn ganz viele Friseurunternehmerinnen und Unternehmer sich endlich einmal klar zu diesem Beruf und ihrer politischen Vertretung bekennen sollen, benötigt es ein Leitbild. Eine Leitbild für die deutsche Friseurbranche mit klaren Zielvorgaben. Eine Leitbild mit klaren Werten – die dann auch konsequent gelebt werden. Eine Leitbild, welches die Friseure, die Unternehmer, die Industrie und die Politik vereint.

Natürlich kostet die Entwicklung eines ambitionierten und professionellen Leitbildes Zeit und Geld. Beides ist nur knapp vorhanden. Aber ich sehe keine realistische Alternative. Um zukünftig und nachhaltig WIRKLICH Veränderungen und Verbesserungen zu erzielen, muss es dem ZDFH gelingen eine neue Begeisterungswelle in der deutschen Friseurszene zu entfachen. Die Mitgliedszahlen müssen dramatisch steigen. Doch nur wenn der Rahmen passt und die Hausaufgaben gemacht sind, werde ich, und werden sicherlich sehr viele Kolleginnen und Kollegen, wieder in die Innungen eintreten und sich aktiv oder passiv (mit ihren Beiträgen) einbringen und Solidarität leben.

Ich weiß es wäre viel leichter, wenn viele Friseure schon mal jetzt gleich den Innungen beitreten und sich somit die finanzielle Lage verbessert und der politische Einfluss steigt. Ist klar. Aber wir wollen doch ehrlich miteinander sein, oder? Ist das realistisch? Nein. Damit das geschieht, muss jetzt von Seiten des ZDFH und von den vielen Innungen und Verbänden erst einmal geliefert werden. Es muss ein klares Signal ausgehen, dass man moderne Pläne und Ziele für die Zukunft hat. Und dies ist aus meiner ganz persönlichen Überzeugung am besten möglich, wenn man sich selbst ein klares Leitbild erstellt.

Ich möchte mich bei allen Leserinnen und Lesern bedanken, die sich den ganzen Text jetzt durchgelesen haben. Ich habe am selbigen zwei Tage gesessen.

Ich möchte mich auch noch einmal bei Dir Herbert für Deine Unterstützung bedanken. Das war ein toller Montagabend bei Salat und Wasser. Ich habe mir heute auch das Buch von Dr. Andreas Michalsen gekauft 🙂

Danke auch noch einmal an Herrn Esser und Herrn Müller für die Einladung und die Gastfreundschaft. Ich weiß Ihre Einladung und Ihre Offenheit während unseren Gespräches sehr zu schätzen. Das war nicht selbstverständlich. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft viel Kraft und alles erdenklich Gute.

Herzlichst – Lars Nicolaisen

PS: Für diesen Beitrag ist die Kommentarfunktion geöffnet. Ich freue mich über Eure Gedanken und Meinungen.

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3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

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