Herbert in Hamburg

Michy Reinke, Kettcar, Fettes Brot… und natürlich Udo Lindenberg. Es gibt einige deutsche Künstler, die ich total gern höre und denen ich sehr viel Sympathie entgegen bringe. Doch ein deutscher Musiker übertrifft sie alle. Herbert Grönemeyer.

Gestern war es mal wieder soweit. Herbert Live in Hamburg. Pflichttermin für Simona und für mich. Es war ein unglaublich schöner, fröhlicher, nachdenklicher und mitreisender Abend. Fast drei Stunden. Herbert lieferte ab. Gleich zu Beginn erzählte er, dass er vor gut 40 Jahren auf dem Kiez in einer Band spielte und knapp drei Jahre in der Grindelallee gewohnt hat. Er baute damit eine Verbindung zu uns auf. Nett, aber solch eine hatte ich schon vorher. Im August 1984 erschien sein legendäres Album „4360 Bochum“. Zur selben Zeit startete ich in mein Berufsleben. Friseurausbildung bei Christel Umlauff im AEZ. Damals gab ich fast mein ganzes Geld für Musik aus. LP´s, Singles und Konzertkarten. Und als Azubi im ersten Lehrjahr erlebte ich Herbert Grönemeyer im Stadtpark. Eintrittspreis 18 DM. Das Konzertticket habe ich heute noch.

Ich genoß den gestrigen Abend. Manchmal musste ich schmunzeln. Wir sind beide älter geworden, der Herbert und ich. Und beim Lied „Mensch“ gingen mir wichtige Teile meines Lebens durch den Kopf, in denen auch immer Herbert Grönemeyer einer meiner musikalischen Begleiter war. Ausbildung. Bundeswehr. Ein Jahr USA. Liebe des Lebens getroffen. Hochzeit. Stolzer Vater geworden. Selbstständigkeit. Internationaler Wella-Akteur. Intercoiffure-Vorstandsmitglied. Zweites Geschäft. Drittes Geschäft. Partnerschaft mit Marc Breckwoldt. Es gab Momente in meinem Leben voller Glück. Und es gab Augenblicke in denen ich hinten in der Mixkabine in der Hamburger Meile geweint habe. Es gibt Momente voller Stolz. Und Momente, in denen mich Existenzängste packen und ich Gefahr laufe zu verzweifeln. Ich habe Menschen kennen gelernt, die mir von der ersten Minute an sehr deutlich ihre Abneigung gezeigt haben. Aber ich habe auch das unfassbar große Glück Menschen an meiner Seite zu wissen, die es sehr gut mit mir meinen. Mitarbeiter, die 10 Jahre und mehr an meiner Seite stehen. Familienmitglieder, die seit Jahren meinen Blog lesen und mir immer motivierendes Feedback geben. Kollegen die mir Wertschätzung entgegen bringen. Dies alles schoß mir bei „Mensch“ durch mein Hirn.

Und der Mensch heißt Mensch, 
weil er vergisst, 
weil er verdrängt, 
und weil er schwärmt und stählt, 
weil er wärmt, wenn er erzählt, 

Und weil er lacht, 
weil er lebt, 
du fehlst. 

Kopfkino in Perfektion. Tja, und in all diesen Lebensabschnitten war auch Herbert immer an meiner Seite. Von meinem ersten Ausbildungsmonat bis heute. Unfassbar. Herbert mit seiner Leichtigkeit, seinem Spaß, seinen unfassbar schönen Melodien – aber auch mit seiner Melancholie, seiner Nachdenklichkeit und seinen politischen Aussagen. Das für Simona und mich wichtigste Lied der letzten Jahre von Herbert habe ich hier im Blog verlinkt. Es stammt von seinem neuen Album „Tumult“, heißt „Fall der Fälle“ und beschreibt eine junge Frau die aufpasst, dass sie sich in der aktuellen politischen Zeit nicht von rechten Gedanken einnehmen lässt. Das ist, wie wir alle wissen, gar nicht so leicht.

Es ist ein Transit, eine Szene, die aufzieht
Ein Bodensatz, der nie schläft
Es ist ein Virus, der sich in die Gehirne frisst
Der sie versucht, der sie belegt
Es wird laut gedacht, alles ist erlaubt
Es lallt und hallt von überall
Jeder Geisteskrampf wird ganz einfach mal gesagt
Es wird gejagt ohne Moral.

Sie verschiebt nie ihre Grenzen, sie bewacht den Übergang
Belauert die Signale, dass ihre Seele nicht erkrankt
Sie untermauert ihren Glauben, findet den Widerstand
Im wirren Hetz-und-Hass-Gewühl

Ich könnte noch viel mehr schreiben. Meine Begeisterung für die unglaublich gute Band und dem bestens aufgelegten Herbert. Darüber, dass ich gestern Abend an den Ballindamm denken musste als ich einige Lieder lauthals mitsang – da ich immer Ärger vom Ballindamm-Team bekomme wenn ich es wage Lieder von Grönemeyer in unsere Salon-Playlist zu packen. Wenn die mich da gesehen hätten 🙂 Das Spiel mit der Beleuchtung war gestern höchst beeindruckend und hat Simona und mich begeistert. Weniger begeistert war ich vom Mittelteil des Konzertes, da mir da zu viele alte Lieder gespielt wurden die er immer und immer und immer wieder spielt. Männer. Alkohol. Was soll das. Halt mich. Flugzeuge im Bauch. Alles tolle Lieder, aber die spielt er wirklich in jedem Konzert. In jedem! Warum? Warum nicht auch mal andere alte Klassiker, die bei seinen Fans sicherlich ebenfalls Kultstatus haben? Erwischt. Maß aller Dinge. Viel zu viel. Herbsterwachen. Bist Du taub. Video. Keine Garantie. Letzte Version… Also bitte Herbert, bei der nächsten Konzerttour bitte einmal den Mut aufbringen lieb gewonnene Klassiker auch mal auszutauschen. Ich denke Deine Fans werden es Dir danken.

Aber warum das Haar in der Suppe suchen? Dieses Konzert am gestrigen Abend war definitiv schon jetzt eines unser persönlichen Highlights 2019. Ein wundervoller Abend. Und mit einem Lächeln im Gesicht starten Simona und ich jetzt in die neue Woche.

Herzlichst, Lars Nicolaisen